Montag, 10. September 2012

Zitat des Tages, Folge 10 - Heinz Strunk über Pferdesport

Momentan lese ich "Die Zunge Europas" von Heinz Strunk. Das Buch hat einige Längen, aber natürlich zwischendrin immer wieder brillante Passagen und zum Schreien komische Formulierungen - ist ja schließlich von Heinz Strunk. Heute bin ich in der Mittagspause fast vor Lachen vom Stuhl gefallen, als ich diese Passage gelesen habe - und die muss hier einfach mal wiedergegeben werden, auch wenn es damit ein sehr langes Zitat wird. (Noch einmal ausdrücklich erwähnt: Es handelt sich um ein Zitat aus einem fiktiven Roman - wer sich also aufgrund der teils deftigen Wortwahl auf den Schlips getreten fühlt, sollte eben das berücksichtigen. Ich finds jedenfalls witzig und ziemlich treffend, auch wenn ich eventuell zum Teil andere Formulierungen gewählt hätte.)

"Im Ersten lief Pferdesport, Liveberichterstattung von einem international bedeutenden Springreitturnier. Springreiten nimmt noch hinter Renn- und Dressurreiten in der steil ansteigenden Langweiligkeitsskala den ersten Platz ein. Pferdesport ist Nazi-Amüsement (herrlich, schon wieder was mit Nazi). In ihren bretthart gestärkten SA-Klamotten sehen die humorlosen Reiter aus wie reinrassige Gauleiter. [...] 
Der von seinem Elitesport berauschte Kommentator sprach anmaßend leise, um sich von den grölenden Fußball- oder sonstigen Prollreportern abzugrenzen. Leise, aber intensiv, ein Pferd sagt mehr als tausend Worte. Rasputin aus dem Gestüt Ed von Schleck. Oder so. Name des Reiters: Dr. Ernst Oertzen. Der Reporter klang immer intensiver, als hätte er sich vor andächtiger Freude in die Hose gekackt. Pferdewurst, haha! Das Gespann Rasputin/Oertzen war Favorit. Noch vier Hindernisse! Phantastische Zeit! Gesamtsieg! Hopphopphopp, tschakka, du schaffst es! Der Herrenmenschenreporter rutschte aufgeregt in seiner übervollen Windel hin und her. Dann das Unfassbare: Rasputin stoppt beim Anlauf auf das vorletzte Hindernis. Vollbremsung. Von hunder auf null, irgendwas musste das Tier irritiert haben. Dr. Oertzen versucht, sich in der Mähne festzuklammern, rutscht jedoch über das Hinterteil in den Staub und bleibt seltsam verrenkt liegen. Stille. Schweres Atmen, Mundgeschnalze, Schnauben, Rascheln, Schlucken, es gibt nichts mehr zu kommentieren. Endlich kommen zwei Sanitäter herbei und helfen Dr. Oertzen auf die Beine, der aber sogleich wieder einknickt und erneut auf dem Hosenboden landet. Statt endlich was zur Sache zu sagen, kommt dem offenbar völlig geschockten Reporter etwas ganz und gar Irres aus dem Mund gepoltern: 'Ein Reiter ohne Pferd ist nur ein Mensch, aber ein Pferd ohne Reiter ist immer noch ein Pferd.' Die Essenz eines ganzen Pferdesportkommentatordaseins, und in Wahrheit alles, was es über Pferdesport zu sagen gibt. Zum Glück konnte ich nochmal einschlafen."

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